KPMG Studie Wirtschaftskriminalität in Deutschland

Fast jedes vierte mittelständische Unternehmen war in den letzten zwei Jahren Opfer, so die Studie Wirtschaftskriminalität 2012. Bei den befragten Großunternehmen war sogar mehr als die Hälfte betroffen. Jedes Jahr werden in Deutschland knapp 675.000 wirtschaftskriminelle Delikte begangen. Das Schadensausmaß ist hoch und liegt im Schnitt bei mehr als 300.000 Euro im Jahr pro betroffenem Unternehmen oder 30.000 Euro pro Fall.

Die Studie Wirtschaftskriminalität 2012

Das hat eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG unter 300 mittelständischen und 32 der 100 größten Unternehmen in Deutschland ergeben.

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Mittelstand unterschätzt die Gefahr

Frank Hülsberg, Partner bei KPMG im Bereich Forensic: „Angesichts dieser Zahlen ist es umso alarmierender, dass vier von fünf Mittelständlern (83 Prozent) die Gefahr durch Wirtschaftskriminalität für das eigene Unternehmen als gering bis sehr gering einschätzen und ebenso viele (81 Prozent) ihre Schutzmechanismen für ausreichend halten. Hier gibt es eine völlig falsche Risikowahrnehmung.“

Und auch bezüglich der Gefahrenquellen stimmt die eigene Wahrnehmung nicht: Die Unternehmen vermuten als größte Gefahrenquelle Datendiebstahl/Datenmissbrauch sowie die Verletzung von Schutz- und Urheberrechten. Tatsächlich waren sie überwiegend von Delikten wie Diebstahl/Unterschlagung (65 Prozent) sowie Betrug oder Untreue  (37 Prozent) betroffen. Fälle von Datendiebstahl und Datenmissbrauch sind hingegen auf 31 Prozent zurückgegangen. Die Verletzung von Schutz- und Urheberrechten liegt bei 17 Prozent. Der Anteil an Korruptionsdelikten hat sich weiter reduziert auf jetzt 6 Prozent.

In jedem zweiten Fall (48 Prozent) kommt der Täter aus dem eigenen Unternehmen. „Vor allem in inhaber- und familiengeführten Unternehmen gibt es eine Kultur des Vertrauens“, erklärt Frank Weller, Leiter des Bereichs Forensic bei KPMG. „Die Studie bestätigt unsere Erfahrung aus der Praxis, dass hier oft grundlegende Kontrollmechanismen wie die Funktionstrennung oder das Vieraugenprinzip sträflich vernachlässigt werden. So entwickeln sich häufig gerade jene Mitarbeiter zu einer Gefahr, auf die man sich in besonderer Weise verlässt.“

Etwas anderes kommt hinzu: Die Hälfte der Delikte (49 Prozent) wird in mittelständischen Unternehmen nur zufällig aufgedeckt. Die Aufklärung der Taten durch ein Internes Kontrollsystem ist dagegen stark rückläufig und liegt heute bei nur noch 40 Prozent. Frank Weller: „Oft sind die Kontrollstrukturen in mittelständischen Unternehmen nicht ausgereift. Dass diese gleichwohl keine nennenswerten Investitionen in den Ausbau von Präventionsmaßnahmen planen, ist vor diesem Hintergrund bedenklich.“

Je größer das Unternehmen, desto höher das Risiko

Die befragten großen Unternehmen in Deutschland haben vor allem mit Diebstahl/Unterschlagung (32 Prozent), Betrug/Untreue (24 Prozent) und mit Geldwäsche-Delikten (17 Prozent) zu kämpfen. Am stärksten betroffen waren in den letzten beiden Jahren  die Bereiche Vertrieb und Lager/Logistik (jeweils 44 Prozent). Gut die Hälfte der Täter kommt aus dem Management. Dazu erklärt Frank Hülsberg: „Der ,typische‘ Täter ist auch hier oft lange im Unternehmen und zudem in der Hierarchie relativ weit oben. Er kennt die Prozesse ganz genau und kann Kontrollmechanismen dadurch viel leichter umgehen.“ Mit 33 Prozent nicht unerheblich ist in den großen Unternehmen zudem der Anteil externer Täter wie zum Beispiel Lieferanten und Kunden. Ein verbreitetes Täterprofil ist bei den betroffenen Unternehmen das kollusive Zusammenwirken von internen und externen Akteuren.

Anders als bei den mittelständischen Unternehmen stimmt die Risikowahrnehmung viel eher mit der am Gesamtschaden ausgemachten konkreten Bedrohung überein. Nur bei der Deliktart der Kartellrechtsverstöße ist das tatsächliche Risiko höher als von den Unternehmen angenommen. In den befragten großen Unternehmen erfolgte die Aufdeckung der Fälle überwiegend (78 Prozent) durch offene Hinweise von Unternehmensinternen.

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Als Sanktionen werden vor allem arbeitsrechtliche (83 Prozent) und strafrechtliche Konsequenzen (67 Prozent) verhängt. Frank Hülsberg: „Neben den materiellen Schäden darf auch der Reputationsverlust nicht unterschätzt werden. Es ist daher eine elementare Führungsaufgabe, Fehlverhalten deutlich und sichtbar zu sanktionieren.“

Frank Weller erklärt abschließend: „Wir beobachten, dass der Umgang mit Wirtschaftskriminalität insbesondere bei Großunternehmen inzwischen auf der Agenda von Geschäftsführung und Vorstand fest verankert ist und auch von Aufsichtsräten zunehmend thematisiert wird. Das ist der richtige Ansatz. Die kleinen und mittleren Unternehmen bauen nach wie vor stark auf das Vertrauensprinzip und begeben sich damit in Gefahr.“

Studie der KPMG zur Wirtschaftskriminalität in 2014

Jedes dritte Unternehmen in Deutschland war in den letzten zwei Jahren Opfer wirtschaftskrimineller Handlungen, bei den großen Unternehmen war sogar jedes zweite betroffen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage unter 400 – repräsentativ nach Branchen, Mitarbeiterzahl und Umsatz ausgewählten – Unternehmen in Deutschland, die TNS Emnid im Auftrag von KPMG durchgeführt hat. Häufigste Delikte waren Diebstahl und Unterschlagung (63 Prozent) sowie Betrug und Untreue (54 Prozent). Der Schaden, der durch wirtschaftskriminelle Handlungen entsteht, wird auf 80 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

Kartellrechtsverstöße verursachen höchste Schäden

Die höchsten Schadenssummen entstehen durch Kartellrechtsdelikte: Fast drei Viertel (73 Prozent) der befragten Unternehmen beziffern ihren individuellen Schaden auf über 1 Million Euro. Jede zweite der von Kartellrechtsverstößen betroffenen Firmen gab an, dass mindestens 500.000 Euro allein auf Ermittlungskosten entfallen – mehr als bei jedem anderen wirtschaftskriminellen Delikt. Bußgelder, Geldstrafen und eventuelle Gewinnabschöpfungen kommen hinzu.

Dazu erklärt Alexander Geschonneck, Partner bei KPMG und Leiter des Bereichs Forensic: „Das kann im Einzelfall dazu führen, dass Kartellrechtsverstöße ein Unternehmen an seine existenziellen Grenzen bringen.“ Umso alarmierender ist in seinen Augen, dass eine überwältigende Mehrheit der Befragten (86 Prozent) der Meinung ist, im Falle einer kartellrechtlichen Ermittlung einen umfassenden Überblick über kartellrelevante Daten und Dokumente zu haben.

Angst vor Datendelikten geht um

87 Prozent der Befragten fürchten, Opfer von Datendiebstahl oder Datenmissbrauch zu werden. Fast zwei Drittel (64 Prozent) gehen davon aus, dass ihr Risiko, Opfer eines ‚Datendelikts‘ zu werden, in Zukunft noch steigen wird. Tatsächlich betroffen waren in den letzten beiden Jahren aber nur 30 Prozent. Geschonneck: „Die Dunkelziffer ist gerade bei daten- und technikbezogenen Deliktarten oftmals höher als die betroffenen Unternehmen ahnen.“ Vielfach fehlt ein Überblick über die komplexen technischen Prozesse und Abläufe. Zudem mangelt es an Kontrollmechanismen, um datenbezogene Vorfälle überhaupt entdecken zu können.

Alexander Geschonneck: „Anders als beim Diebstahl materieller Güter verschwinden Daten ja nicht, sondern werden unzulässiger Weise kopiert und dann andernorts verwendet. Und das fällt – wenn überhaupt – meist erst sehr viel später auf.“

Falsche Risikoeinschätzung blockiert Prävention

Knapp 70 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland stufen das eigene Risiko in Bezug auf wirtschaftskriminelle Handlungen als gering ein. Gleichzeitig sehen 82 Prozent ein hohes bzw. sehr hohes Risiko für andere Firmen. Und obwohl jedes dritte Unternehmen in den letzten beiden Jahren Opfer von Wirtschaftskriminalität war, glauben 85 Prozent, ihr Schutz sei gut oder sogar sehr gut.

Alexander Geschonneck: „Hierin verbirgt sich ein hohes Risiko für die Unternehmen. Sie wiegen sich in einer trügerischen Sicherheit, investieren entsprechend nicht genug in vorbeugende Maßnahmen – und machen sich dadurch angreifbar.“ Es passt ins Bild, dass Reputationsschäden völlig unterschätzt werden: 77 Prozent der Befragten stufen die Gefahr von Reputationsschäden durch wirtschaftskriminelle Handlungen als gering bzw. sehr gering ein.

Erstmals wurde in der vorliegenden Studie untersucht, wie hoch die Bereitschaft der Unternehmen ist, sich gegen wirtschaftskriminelle Angriffe vorsorglich zu wappnen. Das Ergebnis ist mehr als ernüchternd: Präventionsmaßnahmen werden, sofern noch keine konkrete Gefahrenlage besteht, vernachlässigt. Lediglich 11 Prozent der Firmen sind gewillt, 50.000 Euro oder mehr in Prävention zu stecken. Das ökonomische Prinzip ist damit quasi auf den Kopf gestellt: Man akzeptiert Schäden, die um ein Vielfaches höher sind als das, was eine gezielte Investition in Prävention und Detektion gekostet hätte.

Geschonneck: „Dabei können risikoorientierte vorbeugende Maßnahmen die Gefahr verringern, dass etwas passiert. Und sie helfen, Ermittlungs- und Folgekosten zu minimieren.“

Jeder zweite Täter kommt aus den eigenen Reihen

Bei der Betrachtung aller Fälle, in denen die Befragten einen Täter ermitteln konnten, waren interne Täter mit 55 Prozent in der Überzahl (2012: 48 Prozent). 45 Prozent der Delikte wurden von unternehmensexternen Personen verübt, in 16 Prozent der Fälle waren sowohl interne als auch externe Täter an einer wirtschaftskriminellen Handlung beteiligt.

Innerhalb der Gruppe der internen Täter ist der Prozentanteil von Mitarbeitern unterhalb der Topmanagement-Ebene auf 66 Prozent angestiegen. Die Anzahl der Täter aus dem Topmanagement ist hingegen deutlich (von 18 Prozent in 2012 auf 5 Prozent in 2014) gesunken.

Zwar sehen 63 Prozent der Befragten in ‚menschlichen‘ Faktoren (zum Beispiel fehlende Leitbilder, nicht vorhandene bzw. mangelhafte Leitlinien, finanzielle Motive, mangelndes Unrechtsbewusstsein) Risikofaktoren für Wirtschaftskriminalität. Gleichzeitig wird jedoch dem ‚Tone at the Top‘ nur eine geringe Bedeutung beigemessen. Dazu erklärt Alexander Geschonneck: „Das ist ein fataler Widerspruch. Integrität und gesetzeskonformes Verhalten müssen von den Führungsebenen vorgelebt werden.“ Der KPMG-Fachmann kritisiert zudem, dass nicht einmal die Hälfte der Unternehmen Bewerber vor einer möglichen Anstellung auf deren Integrität überprüft.

Bei den Sanktionsmaßnahmen handelt es sich in den meisten Fällen (73 Prozent) um arbeitsrechtliche Maßnahmen. Inzwischen scheuen sich aber immer weniger Unternehmen davor, straf- oder zivilrechtliche Konsequenzen zu ziehen. Geschonneck: „Verstöße sollten in der Tat unmissverständlich und sichtbar sanktioniert werden, auch, weil das eine abschreckende Wirkung hat.“

Vertrieb ist besonders gefährdet – Zufällige Aufdeckung ist unverändert hoch

In jedem zweiten Fall (50 Prozent) war der Vertrieb von wirtschaftskriminellen Handlungen betroffen (2012: 44 Prozent). Am zweithäufigsten (29 Prozent) wurde der Einkauf genannt. Hingegen war die Anfälligkeit der Bereiche Lager/Logistik und Produktion rückläufig.

Die befragten Unternehmen wurden hauptsächlich infolge offener Hinweise sowohl von Unternehmensinternen (57 Prozent) als auch von Unternehmensexternen (47 Prozent) sowie durch Erkenntnisse der internen Revision oder einer sonstigen internen Ermittlungseinheit (52 Prozent) auf wirtschaftskriminelle Handlungen aufmerksam. Nahezu unverändert wird jedoch jede zweite Tat (54 Prozent) durch ‚Kommissar Zufall‘ aufgedeckt.

Dazu erklärt Alexander Geschonneck: „Die Unternehmen können und müssen mehr tun, um ihre Mitarbeiter zu sensibilisieren. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang sind gezielte Schulungen und Trainings, damit sich ein Bewusstsein für potenzielle Gefahren entwickelt und Anzeichen wirtschaftskrimineller Handlungen besser erkannt werden können.“

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